Antonella Cavallucci, seit 28 Jahren Mitarbeiterin Zahlungsverkehr bei der AKB in Aarau, hat ihre kreative Ader viele Jahre nicht ausgelebt. Erst ein gesundheitlicher Schicksalsschlag hat das verändert. Heute träumt sie von einer Teilselbstständigkeit als Künstlerin und einer eigenen Ausstellung.
Die Frau sitzt auf einer Schaukel und schwingt hin und her. Ihre braunen, lockigen Haare fliegen im Wind. Genauso ihr knallrotes Kleid. Sie sieht glücklich aus. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. In der Realität gibt es diese Frau nicht. Sie ist der Fantasie von Antonella Cavallucci entsprungen, die diese Situation auf einem Bild festgehalten hat. Gemalt mit Acrylfarben auf einer Leinwand.
Das Gemälde hat für Antonella Cavallucci eine ganz besondere Bedeutung. Nicht nur, weil es das allererste Bild war, das sie gemalt hat. Sondern vor allem wegen der Bedeutung dahinter. Das Bild ist eng verbunden mit der ganz persönlichen Geschichte von Antonella Cavallucci. Entstanden ist es im November 2019. Eine Woche nach ihrer letzten Chemotherapie, nachdem bei ihr ein halbes Jahr zuvor Brustkrebs diagnostiziert worden war. «Das Bild dieser Frau auf der Schaukel steht für mich sinnbildlich für Freiheit und Neuanfang. Es widerspiegelt meine Gefühle in jener Situation. Ich würde es für kein Geld der Welt verkaufen.»
Antonella Cavallucci hat schon als Kind gerne gezeichnet. Egal ob mit Bleistift oder Wasserfarben – Bilder zu kreieren ging ihr leicht von der Hand. «Ich erreichte im Zeichnen auch immer meine besten Noten», erinnert sie sich lachend. «Ein Lehrer riet mir, dass ich beruflich etwas in dieser Richtung machen sollte.» Das nahm sich Antonella Cavallucci zu Herzen. Ihr Berufswunsch als junge Frau: Modedesignerin.
Das erzählte sie dann auch dem Berufsberater, den sie gegen Ende ihrer obligatorischen Schulzeit aufsuchte. Doch der hatte für diesen Wunsch wenig übrig. «Er sagte mir klipp und klar, dass das ein Traum bleiben werde. Ich fiel aus allen Wolken und verstand die Welt nicht mehr.» Statt ihren Traum weiter zu verfolgen und ihre Leidenschaft fürs Malen und Zeichnen auszuleben, entschied sich Antonalla Cavallucci für eine Bankausbildung. Gezeichnet und gemalt hat sie danach nie mehr.
Das änderte sich erst fast 30 Jahre später. Nämlich dann, als sie die Diagnose «Brustkrebs» erhielt. Das zog der zweifachen Mutter den Boden unter den Füssen weg. «Diese Diagnose hat bei mir sehr viel ausgelöst. Ich habe mich gefragt, ob ich in meinem Leben wirklich das Richtige gemacht habe», erzählt Antonella Cavallucci. In der Chemotherapie lernte sie Janine kennen, die mittlerweile eine ihrer besten Freundinnen ist. Ihr erzählte sie von ihrem unverwirklichten Traum, ihr künstlerisches Talent auszuleben. «Janine bestärkte mich darin, meinen Traum in die Realität umzusetzen. Sie selbst machte das auch und ging einmal pro Woche zum Malen.»
Nach der überstandenen Chemotherapie nahm Janine Antonella Cavallucci mit nach Schönenwerd ins Atelier. Dieses befindet sich im obersten Stockwerk des Nabholzareals. Grosse Fenster erhellen den Raum, in dem in der Mitte ein grosser, rechteckiger Tisch platziert wurde, auf dem unzählige Pinsel in den verschiedensten Formen und Grössen in runden Behältern stehen. Gleich daneben stehen etliche Farbtuben und Farbpaletten. Rund um den Tisch sind insgesamt fünf Staffeleien aufgestellt. Einige sind leer, auf anderen befinden sich halbfertige Malereien. An den Wänden stehen Leinwände in unterschiedlichsten Grössen mit den Bildern der Künstlerinnen und Künstler, die sich dieses Gemeinschaftsatelier teilen.
In diesem Raum hat Antonella Cavallucci ihr erstes Bild gemalt. Die Frau auf der Schaukel. In der Zwischenzeit sind ein paar weitere Bilder dazugekommen. Der Fokus von Antonella Cavallucci liegt allerdings nicht mehr auf den Gemälden, sondern auf Karten, die sie gestaltet. Für Geburtstage, Weihnachten und Hochzeiten, um Gratulationen, Glückwünsche und Beileidsbekundungen zu überbringen. Die Karten malt sie mit Aquarellfarben und kombiniert diese mit Stempeln, Schriftelementen oder Glitzer. «Ich probiere ganz viele verschiedene Techniken aus, da ich meinen Stil noch nicht ganz gefunden habe. Eines haben alle meine Bilder und Karten aber gemeinsam: Ich male von Herzen und drücke damit meine Gefühle aus», sagt Antonella Cavallucci.
Ihre Karten kommen gut an und sie durfte auch schon erste Aufträge für Kundinnen und Kunden übernehmen. Etwas, das sie in Zukunft gerne häufiger machen möchte. «Mein Traum ist es, mit der Malerei eine Teilselbstständigkeit aufzubauen. Das wäre genial. Und irgendeinmal möchte ich eine Ausstellung mit meinen Bildern machen.» Doch noch wichtiger ist Antonella Cavallucci die Botschaft, die sie mit ihrer Kunst in die Welt hinaustragen möchte. «Ich bin überzeugt, dass alle von uns eine Gabe haben. Meine Gabe ist es, dass ich gut zeichnen und malen kann. Das möchte ich ausleben, denn das ist meine grösste Energiequelle. Als ich an Krebs erkrankt war, wurde mir klar, dass ich etwas Schönes hinterlassen möchte, damit sich die Leute an mich erinnern können. Deshalb habe ich endlich begonnen, meinen Traum vom Malen und Zeichnen, den ich seit meiner Kindheit hege, in die Tat umzusetzen.»