Victor Rüetschi – Suhr – e suberi Sach – Aargauische Kantonalbank

Wenn stillsitzen keine Option ist

Victor Rüetschi hat vor 12 Jahren die Aktion «Suhr – ­e suberi Sach» ins Leben gerufen und sammelt seither mit knapp 30 weiteren Freiwilligen Abfall auf dem Gebiet der Gemeinde Suhr. Ein Engagement, das der 81-Jährige mit viel Akribie ausführt.

Sie sind gut erkennbar an ihren orangefarbenen Leuchtwesten, die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Aktion «Suhr – e suberi Sach». Ausgerüstet sind sie alle mit Handschuhen, einer Greifzange und einem Abfallsack. Silvia Kähr hat zusätzlich noch «Schüfeli ond Bäseli» mit dabei. «Für die Scherben», wie sie sagt. Sie war damals vor über zehn Jahren die erste, die mitangepackt hat. «Ich konnte doch meinen Bruder nicht hängen lassen. Er hatte die tolle Idee, in Suhr Abfall einzusammeln und da habe ich natürlich mitgemacht», blickt sie auf die Anfänge zurück.

Ihr Bruder heisst Victor Rüetschi. 81 Jahre alt, rüstig, nie um einen Spruch verlegen und noch immer voller Tatendrang. Er ist gelernter Elektromechaniker, wohnt mit seiner Frau seit vielen Jahren in Suhr und trägt den Spitznamen «Wadenbeisser». «Man hat mich so genannt, weil ich in meinem Job dafür bekannt war, sehr genau und akribisch zu arbeiten», sagt Victor Rüetschi lachend. Die Akribie und der Sinn für Details und genaue Planung werden schnell erkennbar, wenn Victor Rüetschi erklärt, wie er die Aktion «Suhr – e suberi Sach» aufgebaut und organisiert hat.

Die Anfänge

Blenden wir zuerst zurück ins Jahr 2013. Das Jahr, in dem die Idee für die Aktion entstanden ist. Damals entschied sich Victor Rüetschi mit 70 Jahren, in den Ruhestand zu gehen. Die neu gewonnene Freizeit nutzte er unter anderem für Spaziergänge mit seiner Frau. Oftmals entlang der Suhre, die ganz in der Nähe ihres Zuhauses vorbeifliesst. «Bei diesen Spaziergängen ist mir der viele Abfall aufgefallen. Darüber habe ich mich so sehr geärgert, dass ich mir eine Greifzange und Abfallsäcke gekauft und begonnen habe, den Abfall einzusammeln.»

Der abfallsammelnde Victor Rüetschi fiel in Suhr schnell auf. Bald schon berichtete die Aargauer Zeitung über den «Naturfreund, der jede Woche auf Abfalltour geht». So fand Victor Rüetschi – auch mit Hilfe seiner Schwester Silvia, die in Suhr sehr gut vernetzt ist – weitere freiwillige Helferinnen und Helfer, die mitanpacken und Abfall einsammeln wollten. Daraus wurde in Kooperation mit der Gemeinde Suhr das Projekt «Suhr – e suberi Sach».

Flexibilität als Trumpf

Zwölf Jahre später gibt es die Aktion immer noch und noch immer ist Victor Rüetschi die treibende Kraft dahinter. Er selbst ist zwar nicht mehr ganz so häufig unterwegs, um Abfall einzusammeln. Aber noch immer organisiert und koordiniert er die Aktion – und das minutiös. Victor Rüetschi hat das Gebiet der Gemeinde Suhr in 19 Bereiche unterteilt. In jedem Bereich gibt es mindestens eine zuständige Helferin oder einen Helfer, der sich darum kümmert. Das heisst, dass mindestens einmal pro Woche eine Tour unternommen wird, um Abfall einzusammeln. Wann das geschieht, spielt keine Rolle. «Die Freiwilligen können morgens, abends, am Wochenende oder mitten in der Nacht mit einer Stirnlampe rausgehen – das spielt keine Rolle», sagt Victor Rüetschi lachend.

Er führt alle freiwilligen Helferinnen und Helfer in ihre Arbeit ein, begleitet sie auf der ersten Tour, erklärt ihnen die Regeln, verteilt ihnen Checklisten, Aufgabenbeschriebe und Rapportformulare und rüstet sie wenn nötig mit neuem Material aus. Greifzangen, Abfallsäcke, Leuchtwesten – alles hat Victor Rüetschi in seiner Garage auf Lager. Die Helferinnen und Helfer sind bei ihrer Arbeit komplett eigenständig. «Ich glaube, dass genau das den Erfolg von ‹Suhr – e suberi Sach› ausmacht. Fixe Termine schrecken viele Freiwillige ab. Bei uns können alle ihre Arbeit erledigen, wenn es in den Zeitplan passt», sagt Victor Rüetschi.

Bald 10 000 Säcke voller Abfall

Keine Flexibilität gibt es für die Freiwilligen dagegen, wenn es darum geht, die Menge des gesammelten Abfalls an Victor Rüetschi zu melden. Das geschieht jeweils quartalsweise. Wer zu spät dran ist, bekommt umgehend eine Erinnerungsmail von Victor Rüetschi. Der «Wadenbeisser» lässt grüssen. In einer Excelliste wertet Victor Rüetschi genau aus, wie viel Abfall in welchen Gebieten gesammelt wurde und kann so auch Vergleiche über die letzten Jahre anstellen. «9750 Säcke à 20 Liter haben wir seit Beginn der Aktion eingesammelt», sagt er mit Blick auf seine Excelliste stolz. Die Abfallmengen seien in den letzten Jahren praktisch identisch geblieben. In gewissen Gebieten habe sich die Situation verbessert, in anderen verschlechtert.

Auch das, was seine insgesamt 30 Helferinnen und Helfer, die aus sechs verschiedenen Nationen stammen und eine Altersspanne vom Schulkind bis zur Rentnerin, zum Rentner  aufweisen, am häufigsten einsammeln, wertet Victor Rüetschi aus. Klarer Spitzenreiter sind Zigarettenstummel, gefolgt von PET-Flaschen, Plastikverpackungen und Taschentüchern. «Auf einer einzigen Tour habe ich einmal mehr als 200 Zigarettenstummel eingesammelt», erzählt Rüetschi, der selbst auch raucht, aber immer einen «Taschenbecher» dabei hat, um seine Zigarettenstummel korrekt zu entsorgen.

Kein Ende in Sicht

Ans Aufhören denkt Victor Rüetschi trotz seinen 81 Jahren noch lange nicht. «Ich muss immer etwas machen. Ich kann nicht einfach still zuhause sitzen und nichts tun. Ich packe gerne mit an. Vor allem für eine gute Sache wie ‹Suhr – e suberi Sach›», erklärt er seine Motivation. Auf seinen Abfalltouren bekommt Victor Rüetschi zudem auch immer wieder positive Rückmeldungen. «Viele Leute danken uns für unseren Einsatz und es gibt auch immer wieder Autofahrerinnen und Autofahrer, die uns beim Vorbeifahren den erhobenen Daumen zeigen. Das sind schöne Gesten, die mich motivieren, weiterzumachen.»

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