Anja Weiersmüller – Cartons du Coeur – Aargauische Kantonalbank

Wenn Lebensmittel von Herzen kommen

Seit über 28 Jahren versorgt Cartons du Coeur, Lebensmittelhilfe Aargau, hilfsbedürftige Personen mit Lebensmitteln. Bis zu 60 Tonnen Esswaren werden jährlich auf ehrenamtlicher Basis gesammelt und verteilt. An vorderster Front mit dabei istVorstandsmitglied Anja Weiersmüller.

Weiss gestrichene Backsteinwände, Neonröhren an der Decke und Holzregale an allen vier Wänden – es ist ein typischer, rechteckiger Kellerraum, wie wir ihn alle schon x-fach gesehen haben. Trotzdem ist dieser speziell. Denn es dürfte nur wenige Kellerräume geben, in denen derart grosse Mengen an Lebensmitteln ein und ausgehen. Es ist die Zentrale der Organisation Cartons du Coeur, das Herz der Lebensmittelhilfe Aargau.

Bei unserem Besuch stapeln sich in der Mitte viele grosse, graue Kisten voller Lebensmittel. Diese wurden vom Lions Club Fricktal zwei Tage zuvor gesammelt – 2,4 Tonnen sind zusammengekommen.

Fein säuberlich einsortiert

Neben Anja Weiersmüller sind noch sieben weitere Personen da. Vier Männer und drei Frauen. Sie alle packen mit an. Mit präzisen Handgriffen werden die Inhalte aus den Kisten in die Holzregale gestapelt. Alles hat seinen fixen Platz. Zuerst Zucker und Salz, dann Teigwaren und Müesli, danach Suppen und Rösti und vieles mehr. Rund eineinhalb Stunden dauert es, bis die Lebensmittel in den Regalen verstaut sind.

«In den nächsten Tagen werden wir daraus verschieden grosse Pakete zusammenstellen. Es gibt Pakete für Einzelpersonen, für Familien und für Grossfamilien», erklärt Anja Weiersmüller, ehemalige Präsidentin von Cartons du Coeur und noch immer Vorstandsmitglied. Aus der Sammlung des Lions Club Fricktal werden rund 150 Pakete zusammengestellt und im ganzen Kanton an Personen in Not verteilt. Das entspricht in etwa der durchschnittlichen Anzahl Lieferungen eines Monats.

Unkomplizierte Hilfe in der Not

Rund 20 Sammlungen zu Gunsten von Cartons du Coeur finden jedes Jahr statt. Die meisten werden von anderen Vereinen organisiert, ein paar wenige führt Cartons du Coeur selbst durch. Auf diese Weise werden 10 bis 20 Tonnen Esswaren gesammelt und in der Zentrale von Cartons du Coeur sortiert. Etwa 80 freiwillige Fahrerinnen und Fahrer sind Teil der Organisation und liefern die Lebensmittel-Pakete ehrenamtlich mit ihren privaten Fahrzeugen aus. Doch wer hat eigentlich Anrecht auf ein Paket mit Lebensmitteln? Anja Weiersmüller erklärt: «Unser Ziel ist es, dass wir Menschen in Not unkompliziert und ohne Vorzeigen eines Ausweises unterstützen – also quasi eine Art Nothilfe, um die Zeit zu überbrücken, bis die herkömmlichen Unterstützungsgefässe wie die Sozialhilfe oder die Arbeitslosenunterstützung greifen.»

Wer Bedarf hat, ruft bei Cartons du Coeur an. Zwei Teams bestehend aus jeweils vier Personen nehmen die Anrufe entgegen und evaluieren auf Basis dieses Gesprächs, ob der Anspruch auf die Lebensmittelhilfe berechtigt ist. Ist dies der Fall, wird eine Bestellung in Auftrag gegeben und ein Fahrer oder eine Fahrerin holt das entsprechende Lebensmittel-Paket aus einem der Lager von Cartons du Coeur – diese stehen in Gränichen, Neuenhof, Rothrist, Reinach und Birr. In bestimmten Auslieferungsregionen wird das Lebensmittel-Paket aber auch vom Fahrer oder der Fahrerin direkt beim Detailhändler bezogen. Die meisten Lebensmittel im Paket sind lange haltbar und werden jeweils durch frische Produkte oder entsprechende Gutscheine ergänzt. «Innerhalb von zwei Tagen nach dem Anruf sollten die Personen ihr Lebensmittel-Paket erhalten», sagt Anja Weiersmüller.

Unterstützung in schwierigen Situationen

Sie ist vor fünf Jahren auf Cartons du Coeur aufmerksam geworden. Die Mutter eines Bekannten hatte das Angebot in Anspruch genommen. Anja Weiersmüller begann sich als freiwillige Helferin bei Sammlungen zu engagieren. Kurze Zeit später absolvierte sie ihre ersten Lieferungen als Fahrerin. «Ich wurde bald angefragt, ob ich mich im Vorstand engagieren möchte, was ich gerne tat.» Ein Burnout stoppte das Engagement von Anja Weiersmüller kurzzeitig. Das war für sie aber kein Grund, bei Cartons du Coeur auszusteigen. «Ich habe während meines Burnouts erlebt, wie es ist, wenn man sich nicht gut fühlt und froh ist um Unterstützung. Deshalb möchte ich weiterhin Leuten helfen, die sich in einer schwierigen Situation befinden», beschreibt Anja Weiersmüller die Motivation für ihr ehrenamtliches Engagement.

Nach ihrer Pause übernahm sie kurzzeitig gar das Präsidium von Cartons du Coeur und investierte in dieser Zeit rund sechs Stunden pro Woche für die Organisation. Mittlerweile ist es weniger. Anja Weiersmüller hat das Präsidium vor zwei Jahren abgegeben, hilft aber als Verantwortliche des Ressorts Marketing weiterhin mit. Die Reduktion ihres Engagements hängt unter anderem auch damit zusammen, dass sie ihren Wohnort gewechselt hat und mittlerweile nicht mehr im Aargau lebt. «Ich bin weiterhin bei Cartons du Coeur dabei, auch wenn es jetzt etwas umständlicher ist. Ich möchte als Beispiel dafür dienen, dass man sich auch für eine gute Sache engagieren kann, wenn man nicht direkt vor Ort ist», sagt sie.

Froh um Nachwuchs

Bei Cartons du Coeur ist man froh um jede helfende Hand. Vor allem, wenn es jüngere Personen sind. «Praktisch alle unsere Mitglieder sind Rentnerinnen und Rentner – wir sind daher froh um Nachwuchs», sagt der 80-jährige Jakob Haller, ehemaliger Bez-Lehrer und seit 2008 Lagerchef von Cartons du Coeur, lachend. Die Helferinnen und Helfer haben sich mittlerweile verabschiedet. Sie haben ihre Arbeit für diesen Vormittag erledigt. Jakob Haller kontrolliert, ob von allen Lebensmitteln genügend vorhanden sind. «Bei dieser Sammlung gabs viel Teigwaren, dafür etwas wenig Chrömli und Pelati.»

Sollte der Bestand von gewissen Lebensmitteln im Lager zu gering sein, bestellt Jakob Haller die entsprechenden Produkte direkt beim Detailhändler nach. Bezahlt werden die Bestellungen ausschliesslich mit Spendengeldern. Auf diese Weise befinden sich im Keller von Cartons du Coeur immer genügend Lebensmittel, um alle Bestellungen zu meistern. So kann Lagerchef Jakob Haller «seinen» Keller stets mit gutem Gefühl abschliessen, wenn er sich nach dem Sortieren der Sammlung als Letzter auf den Heimweg begibt.

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