Schweizer Mälzerei, Wildegg – Aargauische Kantonalbank

Neues Leben für eine alte Tradition

Seit den 1930er-Jahren gibt es in der Schweiz keine industrielle Mälzerei mehr. Bis jetzt. Denn Christoph Nyfeler hat seine Idee, Schweizer Malz herzustellen, in Rekordzeit Realität werden lassen.

Mais. Caramel. Und irgendwie auch ein bisschen Stall und Tierfutter. Der intensive Geruch, der einem beim Betreten der Produktionshalle der Schweizer Mälzerei entgegenweht, löst verschiedenste Assoziationen aus. «Typisch fürs Malz ist die leicht süssliche Note – vor allem während dem Trocknungsprozess, der im Moment gerade im Gang ist», sagt Inhaber Christoph Nyfeler.

Hinter ihm dominieren drei riesige Edelstahltanks die Szenerie – vier Meter Durchmesser und zehn Meter Länge, dazu ein Fassungsvermögen von zehn Tonnen. In diesen Trommeln wird die angelieferte Schweizer Braugerste zu Malz veredelt. Das funktioniert folgendermassen.

1500 Tonnen Malz pro Jahr

Die Braugerste wird zuerst während 24 Stunden in Wasser aufgeweicht, damit die Körner aufquellen, und dann in eine der grossen Trommeln umgeladen. Darin «keimen» die Körner während vier bis fünf Tagen, wobei die Trommel in regelmässigen Abständen von einer überdimensional grossen Fahrradkette, die sich rund um die Trommel spannt, mehrmals gedreht wird. Zum Schluss wird der Keimungsprozess unterbunden, in dem die Gerstenkörner einen Tag lang getrocknet werden. Das getrocknete Malz wird anschliessend gereinigt und für den Verkauf in unterschiedlich grosse Säcke abgepackt.

25 bis 30 verschiedene Malzsorten produziert Mälzereileiter Daniel Spellmeyer in der Anlage, die in Möriken-Wildegg steht. Der grösste Teil der jährlich bis zu 1500 Tonnen Malz ist dabei für verschiedene Bierbrauereien bestimmt. Aber auch die Lebensmittelindustrie bekundet immer mehr Interesse am Malz. Beispielsweise für Müesli, Riegel und Backwaren, aber auch für die Entwicklung von Fleischersatzprodukten.

Ein Revival nach 90 Jahren Pause

Es ist Christoph Nyfeler zu verdanken, dass in der Schweiz wieder Malz hergestellt wird. Denn hierzulande wurde die industrielle Malzproduktion in den 1930er-Jahren eingestellt. Seither wurde das Malz primär aus Deutschland und Frankreich importiert. Die in der Schweiz angebaute Brau- gerste musste ins Ausland transportiert werden, um Malz herzustellen. Das fertige Malz wurde anschliessend wieder in die Schweiz zurückgebracht. «Ein Irrsinn», wie Christoph Nyfeler fand.

Doch genau dieser «Irrsinn» stand am Ursprung seiner Idee: Statt einen Schweizer Rohstoff zur Verarbeitung ins Ausland zu bringen und das fertige Produkt wieder zurückzuimportieren, soll die gesamte Wertschöpfungskette in der Schweiz erfolgen. Swissness und Regionalität sind Christoph Nyfelers Hauptargumente für seine Idee. Und so begann er, die industrielle Malzproduktion in der Schweiz nach 90 Jahren Unterbruch wiederzubeleben.

700 Lenzburger Fichten für die Produktionshalle

Die Umsetzung seiner Idee erfolgte im Rekordtempo. Im März 2020 nahm das Projekt konkrete Formen an. Drei Monate später hatte Nyfeler bereits seinen wichtigsten Partner an Bord: Die IG Mittelland Malz, die sich um den Anbauplan und die Erntekoordination der Braugerste kümmert. Im November konnte Nyfeler der Jura Cement AG das passende Industrieland für sein Vorhaben abkaufen, reichte im Januar 2021 das Baugesuch ein und durfte im März mit dem Bau der Produktionsstätte beginnen.

Auch der ging zügig voran. Nach nur sechs Monaten stand die 1000 Quadratmeter grosse Produktionshalle, die aus dem Holz von 700 Lenzburger Fichten und ausschliesslich von Handwerkern aus dem Bezirk Lenzburg gebaut wurde. Im Anschluss wurde die Produktionsanlage errichtet und schon im November begann der reguläre Betrieb der Mälzerei. In etwas mehr als eineinhalb Jahren von der Idee zur laufenden Produktion – eine beachtliche Leistung. «Die Leute fanden meine Idee einer Schweizer Mälzerei von Anfang an gut. Hinter vorgehaltener Hand haben sie mir im Nachhinein aber erzählt, dass niemand daran geglaubt hat, dass ich meinen Zeitplan auch nur ansatzweise einhalten kann», erzählt Christoph Nyfeler lachend.

Regionalität, Nachhaltigkeit und Swissness

Doch Christoph Nyfeler hat die Skeptiker eines Besseren belehrt und seine Idee von einer regionalen und nachhaltigen Schweizer Mälzerei Realität werden lassen. Regional deshalb, weil ausschliesslich Schweizer Braugerste verarbeitet wird, auch wenn diese vier- bis fünfmal mehr kostet als Braugerste aus dem Ausland. Auch das fertige Malz wird ausschliesslich an Schweizer Produzenten verkauft – egal ob Bierbrauereien, Destillerien oder Lebensmittelproduzenten.

Nachhaltigkeit ist in der Produktion ebenfalls zentral. Nicht nur weil die Transportwege der Rohstoffe und der fertigen Produkte kurz sind. Bei der Produktion des Malzes gibt es keinen Abfall. «85 Prozent der Braugerste werden zu Malz. Die Reste werden zu proteinreichem Tierfutter verarbeitet», erklärt Nyfeler. Zudem wird der für die Produktion benötigte Strom komplett von der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Produktionshalle gewonnen. Der Betrieb der Schweizer Mälzerei ist äusserst erfolgreich angelaufen. So erfolgreich, dass Christoph Nyfeler sich bereits mit dem Gedanken befassen kann, bald schon eine zweite Produktionsstätte aufzubauen. Natürlich nach denselben Grundsätzen wie in Möriken-Wildegg: regional, nachhaltig und mit ganz viel Swissness.

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