Wer mit dem Auto vom Fricktal her nach Leibstadt fährt, der sieht sie schon von Weitem: die blauen Lagerhallen der Kuratle Group auf der linken Seite zwischen Hauptstrasse und Rhein. 12 Hallen sind es insgesamt, die 70 000 Quadratmeter überdachte Fläche bieten. Auch wenn die Hallen aus Metall und Stahl auf den ersten Blick ein anderes Bild vermitteln – bei der Kuratle Group dreht sich alles um den Rohstoff Holz.
Was 1955 als Einzelfirma für den Handel mit Rundholz, Schnittwaren und Parkett begann, ist heute ein international agierender Konzern mit gegen 1000 Mitarbeitenden weltweit. Gleich geblieben ist jedoch der Fokus: Holz. Am Hauptsitz in Leibstadt, dem grössten der zwölf Unternehmensstandorte, befinden sich riesige Mengen an Holzplatten und Holzbalken. Diese werden auf dem weitläufigen Areal mit Gabelstaplern herumgekarrt, den Kundenwünschen entsprechend zugeschnitten, verpackt und vom eigenen Logistikunternehmen verteilt. Über 80 Lastwagen sind es, die in der ganzen Schweiz unterwegs sind, um die verschiedenen Holzprodukte auszuliefern.
Wer tagtäglich mit Holz arbeitet, der muss sich Gedanken zur Umwelt machen. Das zumindest ist die feste Überzeugung von George Kuratle, der 1974 ins Familienunternehmen eingestiegen und heute Verwaltungsratspräsident ist. «Es liegt in der DNA unseres Unternehmens, dass wir uns um unsere Umwelt kümmern. Wir arbeiten mit Holz und dafür brauchen wir eine intakte Natur.»
Mit diesem Bewusstsein hat George Kuratle das Unternehmen jahrelang geführt und einen «ökologischen Touch», wie er es nennt, in die Firmenkultur eingepflanzt. «Grün sein hat nichts mit ‹links sein› zu tun. Ich bin der Meinung, wir Bürgerlichen sollten die grüne Welle mittragen. Schliesslich können wir Unternehmer etwas bewegen und investieren. Aber wir müssen es auch wirklich tun und mit gutem Beispiel vorangehen.»
Genau das hat George Kuratle getan. Vor über zehn Jahren hat er entschieden, dass die Kuratle Groupe ökologisch und nachhaltig werden soll. In der Holzverarbeitungsbranche hat er damit eine Vorreiterrolle eingenommen. «Heute ist die Nachhaltigkeit in aller Munde. Als wir vor über zehn Jahren damit begonnen haben, war das noch nicht der Fall», erinnert sich George Kuratle.
Es brauchte also auch eine Portion Mut, um diese Nachhaltigkeitsidee umzusetzen. Vor allem in der Konsequenz, wie das George Kuratle in seinem Unternehmen getan hat. In einem ersten Schritt wurden die Heizungen umgerüstet, sodass sie mit den Holzabfällen aus der eigenen Produktion betrieben werden können. Danach folgte der Bau von Photovoltaikanlagen auf den Dächern aller Firmenstandorte. In zwei Jahren werden es total 45 000 Quadratmeter sein. Dies entspricht einer Fläche von mehr als sechs Fussballfeldern. Die mit 9000 Quadratmetern grösste Photovoltaikanlage steht auf den blauen Lagerhallen in Leibstadt. Die Hallen wurden im Innern mittlerweile grösstenteils mit Holz ausgebaut. Schweizer Holz, versteht sich. Auch darauf legt man bei der Kuratle Group viel Wert. Die Massnahmen zahlen sich aus. Am Hauptsitz in Leibstadt verbrauchte das Unternehmen früher 250 000 Liter Erdöl pro Jahr. «Heute brauchen wir praktisch kein Heizöl mehr», sagt George Kuratle stolz.
Heizungen mit Holzabfall, Photovoltaikanlagen und Holzbauten – das sind alles Massnahmen zugunsten der Nachhaltigkeit, die heute längst keine Seltenheit mehr sind. Viele Unternehmen sind auf das Thema aufgesprungen. Spätestens im Zuge der drohenden Energiekrise in der Schweiz. George Kuratle denkt aber bereits weiter. Mit seiner neusten Idee wird er seinem Ruf als Pionier für Nachhaltigkeit in der Holzverarbeitungsindustrie erneut gerecht. In Full, einer Nachbargemeinde von Leibstadt, hat die Kuratle Group 65 000 Quadratmeter Land gekauft. «Hier soll das erste komplett autarke Holzwerk der Schweiz entstehen», sagt George Kuratle.
Das bedeutet, dass die geplante Holzverarbeitungsanlage komplett ohne Strom aus dem Netz auskommt – dank einem eigenen kleinen Kraftwerk sogar in den sonnenarmen Wintermonaten. Zudem soll in dieser neuen Anlage, die ein Investitionsvolumen von 70 Millionen Franken benötigt, ausschliesslich Schweizer Holz zu Fertig- und Halbfertigprodukten verarbeitet werden. Diese werden dann direkt auf die Bahn verladen und abtransportiert.
Dieses Generationenprojekt plant George Kuratle gemeinsam mit seinen Kindern Roger, Corinne und Fabian. Sie haben mittlerweile die Leitung der Kuratle Group in der dritten Generation übernommen und werden dereinst auch die neue Holzverarbeitungsanlage in Full führen. Wenn alles nach Plan läuft, soll diese Anlage 2027 in Betrieb genommen werden. Es wäre der nächste grosse Meilenstein bei der Realisierung von George Kuratles Idee eines ökologischen und nachhaltigen Unternehmens in der Holzverarbeitungsindustrie.